Clausewitz lockt nach Burg

Erstes Kolloquium über preußischen General und Philosophen in der Stadthalle.
Schüler des Burger Roland-Gymnasiums um Deutschlehrerin Jutta Radde versetzten sich in die Zeit und Rolle von Clausewitz und trugen literarische Beiträge vor.
Von Mario Kraus © Volksstimme 05.09.2020

Burg l Clausewitz ist nicht vergessen, sondern aktuell wie eh und je. Davon ist auch Julian Kaiser aus Essen überzeugt. Der 26-Jährige nahm am Freitag die Fachvorträge über das Leben und Wirken des bekannten Heeresreformers und Philosophen („Der Krieg ist die Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln“) dankbar auf. Immerhin wird seine Masterarbeit von Carl von Clausewitz und dessen widersprüchlicher Wahrnehmung handeln. Denn das sei immer noch ein Phänomen, begründet Kaiser, der nach einem Bachelorstudium in Halle nun Fachjournalistik in Gießen studiert. Der Geburtsort des Heeresreformers Clausewitz liefere weitere „garantiert neue Erkenntnisse“. Und ein wahrer Fundort sei auch die Erinnerungsstätte in der Schul- straße, die Julian Kaiser noch am Vormittag besuchte. „Es ist beeindruckend, wie das Erbe hier wissenschaftlich eingeordnet wird.“ Genau weil Forschungsgemeinschaft, Freundeskreis und Errinnerungsstätte an einem Strang ziehen, ist es überhaupt möglich geworden, dieses Kolloquium mit hochkarätigen Wissenschaftlern und Militärs auf die Beine zu stellen und auf das Jerichower Land aufmerksam zu machen. Diese Tatsache würdigte Landrat Steffen Burchhardt (SPD). Clausewitz steche nicht nur als bedeutendster Sohn der Stadt hervor, sondern auch, weil seine Erkenntnisse heute noch Bestand haben. Er verwies darauf, dass Clausewitz oftmals seiner Zeit voraus und ein glänzender Analytiker war. Den großen Bogen zur Gegenwart spannte Burchhardt mit einem Zitat von Clausewitz: „Die Zeit ist Euer, was sie sein wird, wird sie durch Euch sein ...“ Dies zeige, wie wichtig verantwortungsvolles Handeln in der Politik sei. Genau das habe Clausewitz rechtzeitig erkannt und praktiziert. „Er hat das Primat der Politik nie in Frage gestellt“, sagte Ulrich Kleyser, Mitglied der Clausewitz-Gesellschaft. Der pensionierte Oberst referierte über Strategie und Wille und hob in der Diskussion besonders hervor, dass nach dem Clausewitz’schen Denkanstößen der Wille immer positiv und moralisch untersetzt sein sollte. Kleyser: „Clausewitz war ein hoher Moralist.“

Darauf und auf die Bedeutung des Militärphilosophen ging auch der polnische Assistensprofessor Jacek Jedrysiak ein. Der Historiker, der über den preußischen Militärgedanken 1815 bis 1830 promovierte, ist Chefredakteuer des ältesten polnischen Militärjournals ist. Seine Leidenschaft für die Erkenntnisse von Clausewitz werde er auch deshalb weiter verfolgen, weil die Akzeptanz in Polen noch nicht so groß sei. Die Lehren seien so bedeutungsvoll, weil sie militärische und politische Phänomene durchdringen. Bei allen politischen und militärischen Aspekten gab es auch familiäre Einblicke. So sprach Dr. Christine Gräfin von Brühl über die Großfamilie Brühl und Clausewitz. Und in die Lage von Clausewitz versetzten sich Schüler des Burger Roland-Gymnasiums um Deutschlehrerin Jutta Radde. Die jungen Leute versetzten sich die Zeit und Rolle von Clausewitz und trugen ihre literarischen Beiträge vor.

Heute wird das Kolloquium ab 9 Uhr fortgesetzt. Auf dem Plan stehen unter anderem Vorträge von Dr. Sebastian Schindler (Clausewitz und der Wert des Kämpfens), Dr. Andreas Herberg-Rothe (Clausewitz als früher Theoretiker hybrider Kriege) oder Dr. Andreas Türpe (Drohnen, Roboter - ist da noch Platz für Clausewitz? „Jeder Interessierte kann die Vorträge verfolgen und ist zur Diskussion eingeladen“, so der Leiter der Erinnerungsstätte, Dr. Rolf-Reiner Zube. Auch ein Stadtrundgang ist vorgesehen.

Julian Kaiser schreibt seine Masterarbeit über Clausewitz.

Vor dem Clausewitz-Kolloquium in der Burger Stadthalle: Landrat Steffen Burchhardt (SPD/links) im Gespräch mit Moderatorin Bettina von Clausewitz, Rolf-Reiner Zube, Leiter der Burger Erinnerungsstätte, und Oberstleutnant Thomas Poloczek vom Bundeswehr-Landeskommando Sachsen-Anhalt. Fotos (2): Mario Kraus

Burger Roland-Gymnasium
Brüderstraße 46
39288 Burg

Tel.: 03921 - 72780
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